Im Produktionsbereich sind Roboter inzwischen weit verbreitet und nicht mehr wegzudenken. Begünstigt durch gegenwärtige Tendenzen wie Digitalisierung und Fachkräftemangel tritt die Automatisierung an, in einem zunehmenden Maße die Büroarbeitswelt zu erschließen. Was im Hinblick auf die Mitbestimmung wohl vielfach als IT-Thema aufschlägt, kann je nach Ausbaustufe und Automatisierungsgrad zudem weitere Mitbestimmungstatbestände betreffen und somit die aktive Beteiligung der Arbeitnehmervertretungen erfordern.
„Robotergestützte Prozessautomatisierung – mehr als eine Modeerscheinung“
Unter RPA wird die automatisierte Bearbeitung von routinemäßigen und sich wiederholenden Aktivitäten in strukturierten Prozessen durch digitale Softwareroboter (kurz „Bots“ genannt) verstanden. Die Automatisierung bezieht sich dabei anfangs ausschließlich auf sich wiederholende, regelbasierte Prozesse ohne Handlungsspielraum, die auf strukturierten Daten aufsetzen.
In unterschiedlichen Zusammenhängen werden bisher manuell am Computer ausgeführte Tätigkeiten übernommen und selbstständig durch den Softwareroboter ausgeführt. Typische Aktivitäten in dieser Hinsicht können bspw. die gezielte Abfrage bestimmter Daten aus Datenbanksystemen, das Copy & Paste von Daten oder Dateien, Datenbankeintragungen, oder das Öffnen, Auslesen und Erstellen von E-Mails sein.
Im HR-Reporting bspw. – um einen Anwendungsbereich herauszugreifen – können Bots Daten aus verschiedenen Systemen zusammenziehen, in einen Standardreport einfügen und an die passenden Adressaten versenden. Zu weiteren Anwendungsbereichen gehören Buchhaltung, Controlling, Finanzen, Kundenservice.
Laut Analyse des Marktforschungsunternehmens Gartner gehörten RPA-Anwendungen bereits 2018 zu den am schnellsten wachsenden Produktgruppen des Unternehmenssoftwaremarktes. Vorreiter waren auch in Bezug auf den Einsatz von RPA eher Großunternehmen. Zunehmend sind es aber auch mittelständische Unternehmen, die Prozessautomatisierung mittels RPA-Lösungen für ihre Zwecke erschließen und zum Einsatz bringen. Die Technologie ist inzwischen so günstig, dass sie mehr und mehr auch für KMU’s attraktiv wird. Die Zeit ist damit reif für RPA – so das zentrale Fazit der von IDG Research Services angestellten Marktstudie „Robotic Process Automation 2021“ aus dem vergangenen Jahr.
Ermöglicht wird die vielfach relativ kostengünstige technologische Umsetzung dadurch, dass RPA-Lösungen direkt auf die vorhandenen Benutzerschnittstellen von IT-Anwendungen zurückgreifen, wie sie auch Beschäftigte für die Bearbeitung der jeweiligen Arbeitsschritte nutzen würden. Der Softwareroboter imitiert die Tätigkeitsschritte der dafür zuvor zuständigen Beschäftigten. Auswirkungen auf bestehende IT-Anwendungen sowie Infrastruktur bleiben dadurch gering und Softwareroboter könnten damit unmittelbar an die Stelle der Beschäftigten treten.
RPA ist erst der Anfang
Auf dem Weg zu einer intelligenten Prozessautomatisierung ist RPA erst der Anfang – darüber sind sich die Experten einig. Zwar lassen bereits immer mehr Unternehmen einfache Prozesse ohne Handlungsspielraum von Bots erledigen, hierbei handelt es sich allerdings zunächst um eine erste mögliche Ausbaustufe. Darüber hinaus befinden sich bereits heute weitergehende Technologiegenerationen in der Entwicklung und Umsetzung.
Mit RPA wird zunächst der Grundstein der Prozessautomatisierung gelegt. Aufbauend darauf kann die Technologie mit Natural Language Processing (der automatischen Analyse und Darstellung menschlicher Sprache), selbstlernenden Systemen sowie Expertensystemen mit KI (Künstlicher Intelligenz) erweitert werden:
►In einer zweiten Entwicklungsstufe (Cognitive Automation genannt) können zudem kleine Mengen unstrukturierter Daten (wie eingescannter Dokumente) durch maschinelle Lernfähigkeiten erkannt und bearbeitet werden.
► Digital Assistants können in einer dritten Entwicklungsstufe mit Hilfe von NLP Daten in Form von Text aber auch Sprache analysieren und verarbeiten – bspw. zur Bedienung interner oder externer Kunden.
► In Verbindung mit KI besteht darüber hinaus die Möglichkeit, sogenannte „intelligente Software“ zu integrieren. Dadurch können bei einer weitergehenden Prozessautomatisierung (Autonomous Agents) Datenmengen ohne Begrenzung in Art und Umfang verarbeitet werden, Entscheidungen getroffen und auch Prozesse initiiert werden.
In diesem Sinne stellt RPA die erste Stufe – und quasi das Fundament – für einen ganzheitlichen Automatisierungsansatz dar. Damit könnten sich komplette Arbeitsprozesse sowie die Art und Weise, wie die Arbeit geleistet wird und benötigte Personalbedarfe grundlegend ändern. Allein diese Aussicht zeigt, wie wichtig es für Arbeitnehmervertretungen ist, diesbezügliche Entwicklungen von Beginn an aufmerksam zu verfolgen und durchgängig sowie zukunftsorientiert mitzugestalten.
Herausforderungen für die Mitbestimmung.
Ausgehend von den zumeist im Fokus stehenden Zielsetzungen zur Einführung von RPA-Lösungen wird es in der weiteren Auseinandersetzung insbesondere darauf ankommen, zu erarbeiten, welche Konsequenzen sich für die Beschäftigten aus der Implementierung der geplanten RPA-Anwendung ergeben. Eine rein technologische Betrachtung würde somit deutlich zu kurz greifen. Ein besonderer Fokus sollte zusätzlich auf den Themen Arbeitsverdichtung bzw. Konzentration komplexer Tätigkeiten durch Wegfall einfacher Tätigkeiten liegen, um daraus als Arbeitsnehmervertretung geeignete Maßnahmen zu entwickeln.
Vor diesem Hintergrund muss es für Arbeitnehmervertretungen darum gehen, die Risiken gegenüber den Chancen frühzeitig abzuwägen und passgenaue Regelungen für die jeweilige Situation vor Ort zu vereinbaren. Hierbei gilt es verschiedene Beteiligungsrechte zu nutzen. Die aus unserer Erfahrung wesentlichen Paragraphen sind nachfolgend aufgeführt:
- § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG – Standard im Umgang mit technischen Einrichtungen, im Hinblick auf eine mögliche Überwachung zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle,
- § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG – bezüglich Lohngestaltung bzw. Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen,
- § 90 BetrVG – hinsichtlich der Unterrichtungs- und Beratungsrechte bei Arbeitsplatzveränderungen,
- § 95 Abs. 3 BetrVG – bei etwaiger Versetzungen von Beschäftigten,
- § 97 Abs. 2 BetrVG – mit Blick auf etwaige Qualifizierungsbedarfe, insofern die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichen,
- § 111 BetrVG – insofern die erforderlichen Veränderungen mit einer grundlegenden Änderung der Betriebsorganisation bzw. der Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren verbunden ist.
Unsere Erfahrungen als TBS mit diesem Thema zeigen, dass RPA als Basis auch für weitere Entwicklungen dient und einen massiven Einfluss auf unsere Arbeitswelt haben kann. Aus diesem Grund ist es wichtig, diesen Prozess im Rahmen der Mitbestimmung von Anfang an aktiv mitzugestalten und individuelle Lösungen für die jeweilige Situation vor Ort zu entwickeln.